Montag, 14. September 2009

Welcome to the Jungle

…oder: Wie man die Empathie der Zuhörer erschleicht.

In diesem Sommer gab es für uns eine Fülle an Freiluftmusik, ob zuhörender oder aufführender Weise. Auch wenn die hinreichend kultivierte Natur keine offensichtlichen Gefahren mehr birgt, gibt es für den Musiker immer das Risiko der witterungsbedingten Schönheitsfehler - sei es durch direkte Intervention oder einfach mangelnde Konzentration infolge nicht idealer Spielbedingungen. Nicht, daß das immer unvorteilhaft wäre: kleinere Macken unterhalten das Publikum, das bei Klassik ja nicht immer so viel zu lachen hat.

Ein Paradebeispiel war das Konzert zur Kammeroper, wo die Mezzospranistin in einer halsbrecherischen Koloraturorgie die falsche Abzweigung erwischte und abbrechen mußte. Sie bat mit einem charmanten Lächeln Publikum und Mitstreiter um Verzeihung, es wurde ohne viel Federlesen an einer geeigneten Stelle wieder begonnen, und sie erntete zuerst Gelächter und dann einen Riesenapplaus.
In einer von Regengüssen interpunktierten Aufführung, wo der Chor offensichtlich den Wiederbeginn verschlafen hatte, mußte die gleiche Sängerin vergeblich nach ihrer Leibwache rufen, was sie mit einer improvisierten "Wo sind sie denn?"-Kadenz quittierte -  das Publikum freute sich.

Als Streichquartett haben wir in diesem Sommer zwei Hochzeiten untermalt - beide auf malerischen Terrassen mit Seeblick. Im Juli brach mir vor dem Inselhotel mitten in Bachs Air die A-Saite, an Weiterspielen war nicht zu denken. Der Saitenwechsel wurde vom Bräutigam begeistert photographiert, als ich danach die Saite unter ordentlichem Gejaule etwas vordehnte, wurde ich gebeten, das für die Kinder nochmal zu wiederholen.

Die zweite Hochzeit fand Anfang September auf der Konzilterrasse statt - bei Windstärke vier. Grundsätzlich hat man für solche Fälle Wäscheklammern oder Magneten im Kasten, was aber nicht viel hilft, wenn es mitten im Mozart-Quartett die Notenständer umweht. Wehe dem, der in einer solchen Situation den Fuß vom Notenständerbein nimmt!

Ein Klassiker war auch das Engagement, Schuberts Ave Maria bei einer Taufersatzhandlung unter einem Baum mit der einfühlsamen Begleitung eines Ghettoblasters zu Gehör zu bringen - an einem lauschigen Dezemberabend; in diesem Fall ließen sich die stolzen Eltern dann doch auf eine Kompromißvorstellung im heimischen Wohnzimmer ein. Wer die balsamische Polarluft offensichtlich nicht goutierte, war der Täufling: der Schubert wurde zu einem nicht ganz so komponierten Duett…

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