Sonntag, 16. Mai 2010

Lustige Seefahrt

Kleines Wörterbuch Wagnerscher Onomatopoietik:
Wallala weiala weia!: "Das Springen vom Beckenrand ist verboten! Der Bademeister."
Johohohe! Johohohe! Johohe!: "Mary, ich habe keine Zeit, mein Zimmer aufzuräumen, ich muß mich mit einem unheimlichen Fremden verloben und danach ins Wasser gehen!"
Hussahe! - Hallohe!: "Sagen Sie, Smutje, haben Sie etwa in mein Bier gespuckt?" - "Aber nein, Herr Steuermann, das amerikanische Bier ist grundsätzlich eher wäßrig!"
Hohojo! Hallohoho Jollohohoho!: "Mein Gott, der schwarz-rote Flitzer mit niederländischem Kennzeichen hält direkt auf uns zu! Ist das jetzt Lee vor Luv oder Backbordbug vor Steuerbordbug?"
Hojotoho! Heiaha! Heiahaha!: "Könnten Sie bitte einen Augenblick mein Pferd halten? Ich muß mir dringend die Nase pudern."
Bitte nichts verwechseln - es dürfte das Verständnis von Wagner-Opern beträchtlich erschweren. Die Roktett-Außenstelle New York darf sich da keine Blöße geben und war anläßlich des Fliegenden Holländers entsprechend vorbereitet.

Die Oper wurde konzeptgemäß ohne Pause durchgespielt, was vor Beginn zu einer wahren Völkerwanderung auf gewisse Örtlichkeiten führte. Zwischen den Akten gab es verzweifelte und geräuschvolle Fluchtversuche derjenigen, die das Programmheft nicht gelesen hatten - was das Met-Orchester wirklich nicht verdient hatte: auch am vorletzten Abend der Saison spielte man vorzüglich, vielleicht etwas dominant in Bässen, Blech und Schlagzeug, was mir bei einer so düster-baßlastigen Oper aber eigentlich ganz gut gefällt.
Manche Tempi wirkten nicht ganz stimmig - etwa ein sehr behäbiger Holländer nach einer hübsch flotten Ouverture - und im Wettstreit von Matrosen- und Geisterchor (aka "One song to the tune of another") wurde auch jenseits der Partitur noch Verwirrung gestiftet.
Die Inszenierung war verhältnismäßig rezent (Everding 1989) und in angenehmer Abwechslung zu den Puppenhausbühnen meiner bisherigen Besuche (Bohème, Lulu) im Breitwandformat. Leider köpfte das tief abgehängte Bühnenportal für alle Ränge ab Balcony aufwärts höher aufgestellte Sänger oder versperrte gleich ganz den Blick - wie genau das Regieteam also die fachgerechte Entsorgung eines nicht nur stimmgewaltigen Soprans im Finale bewerkstelligte, konnte ich leider nicht herausfinden. Kulissen und Ausstattung waren frühindustriell-realistisch und dezent klaustrophobisch - eigentlich ganz passend.
Schön fand ich die Lichtregie, die mit ein paar einfachen Projektionstricks einen soliden Schiffsbug aus dem Nichts zauberte, oder - plakativ, aber wirksam - Daland und den Holländer im 2. Akt in warmen und kalten Farben kontrastierte. Die geisterhafte Holländercrew im 3. Akt - in den Neonfarben einer 90er-Disco - wirkte allerdings ziemlich albern.
Deborah Voigts hochgelobte Senta fand ich zu Beginn enttäuschend: Mächtig und herb, hatte sie keine Probleme, sich gegen das Orchester zu behaupten, aber wo war das in den lyrischen Passagen der Ballade unerläßliche piano (...das ihr der Chor im Übrigen wie aus dem Lehrbuch vorexerzierte)? Des weiteren läßt ein Vibrato mit dem gefühlten Ambitus einer kleinen Terz Raum für Interpretation, aber sie schien mir zuweilen doch arg zu destonieren. Später fing sie sich, sang und spielte in den Ensembles mit schöner Dramatik und in passenden Momenten mit gewaltiger Durchschlagkraft.
Juha Uusitalo, der Holländer, hat einen unterweltlich karg-schwarzen Baßbariton, der ihn vorzüglich vom Rest des Ensembles absetzt. Leider ist seine Stimme nicht sonderlich groß, insbesondere in den Höhen wurde er vom Orchester regelrecht plattgewalzt. In seiner Auftrittsarie ist das sehr schade, bei seiner Demaskierung am Ende - noch schader. Ein Problem, das Hans-Peter König nicht hatte: er präsentierte einen großen, runden und sympathisch bourgeoisen Daland. Darstellerisch neigte er zum Dirigieren - vielleicht wollte er die schlechte Presse für Kazushi Ono ausgleichen.
Philip Webb versuchte sich an einem lyrischen Erik, neigte aber zum Quaken im hohen Register. Etliche Legatopassagen scheiterten auch an seinen Sprachschwierigkeiten, da stotterte und bellte es doch gewaltig. Laut seiner Vita scheint er im italienischen Fach besser zu Hause zu sein.
Nett, aber manchmal etwas wackelig: der Nachwuchssteuermann (Russell Thomas), von Mary (Wendy White) habe ich leider fast nichts gehört - für die billigen Plätze der Met ist neben dem Opernglas wohl auch ein Hörrohr unerläßlich.

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