Dienstag, 19. August 2008

Wie soll man bei dem Krach auch schlafen können...?

"Nessun dorma" geht wieder um - die Große Untote unter den Bravourarien. Nachdem leise Hoffnung bestand, sie zusammen mit Pavarotti vorläufig in die Grube geschickt zu haben, verhilft ihr ein englischer Handyverkäufer mit schiefen Zähnen zu frisch erstarkter Prominenz.
Folgende Kostbarkeit fand sich an der Spitze der deutschen Amazon-Klassikcharts:Wird sich die Telekom neben der Farbe Magenta demnächst auch Puccini gesetzlich schützen lassen?
Auf den nächsten Plätzen folgte eine Flut von Puccini-Kompilationen - Nessun-dorma-Versionen von allen Drei Tenören (die können es wenigstens). Dazwischen, sehr vereinzelt: singende Mönche, der ubiquitäre Lang Lang und natürlich "Baby Classics - Nur das Beste für mein Baby".

Paul Potts ist ja auch ganz rührend, singt für einen Semi-Amateur nicht schlecht und paßt perfekt ins Triumph of the Underdog-Klischee; aber seine Einspielung gehört nicht zu den Dingen, auf die die Welt gewartet hat.
Rezensenten (z. B. Amazon.de) führen zu seiner Verteidigung an, daß er Oper und Klassik für ein neues und jüngeres Publikum erschließt. Dem kann ich mich nicht anschließen: Potts bringt die hoi polloi genau so wenig zum Klassikhören wie J.K. Rowling die Kinder zu Literaten macht. Von aus dem Kontext gerissenen Puccini-Arien ist der Weg zu Beethoven-Quartetten nicht signifikant weiter als z. B. von Ronan Keating. Die Nestlé-Werbung mit Carmina Burana hat auch noch niemanden zu Strawinsky bekehrt.
Ganz abgesehen davon sollen die Leute hören, was ihnen Spaß macht - klassische Musik ist doch keine intellektuelle Pflichtübung!

Auf Platz 12 der Charts fand sich übrigens die Zubin Mehta-Gesamteinspielung von Turandot mit Sutherland, Caballé und Pavarotti in den tragenden Partien - vielleicht zieht da doch der Potts-Faktor. Allerdings frage ich mich, vieviel Spaß ein Castingshows gewöhnter Opernneuling an einer dreistündigen Kopf-ab-Oper mit einer herb timbrierten Hochdramatischen in der Titelrolle, seltsamer Handlung, hirnlos agierenden Protagonisten (Calaf, Liù) und fragmentarischem Schluß haben wird.

Weit oben auf meiner "Nessun dorma"-Hitliste steht übrigens die Version von Manowar. Wer braucht da noch einen Paul Potts?

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