Das Freiburger Barockorchester in Würzburg
Man sollte ja nicht meinen, es gäbe im tiefen Frankenland keine Kultur. Allerdings ist das Programm der Würzburger "Meisterkonzerte" ausgesprochen zahm, bei allzu verstörenden Werken könnten wohl auch dem Publikum die Hörgeräte herausfallen.
Gestern gab im Saal der Musikhochschule das allseits beliebte Freiburger Barockorchester mit Gottfried von der Golz als primus inter pares ein sehr statthaftes Konzert mit einer Gegenüberstellung eines jungen Mozart und eines außerordentlich jungen Mendelssohn.
Man begann mit einem Marsch (KV 248) von solchem Ausdruck und Gehalt, daß ich schon nach dem Schlußapplaus mich an keine einzige Note mehr erinnern konnte.
Immerhin war er kurz.
Es folgte das Violinkonzert d-moll des dreizehnjährigen Mendelssohn mit einem gut aufgelegten von der Golz. Mendelssohn kann je nach Interpreten entsetzlich langweilig sein. Nicht so mit den Freiburgern, die, wie es sich für ein gutes Barockorchester gehört, schlank, dynamisch und sehr geschlossen agierten und das Stück in jugendlichem Übermut in den Saal pfefferten.
Das Konzert hat nichts von der leicht kitschigen Süße des bekannteren e-moll-Konzerts. Typisch für den frühen Mendelssohn finden sich ausgedehnte Experimente mit der Formensprache früherer Epochen, ausufernde Solokadenzen und teilweise ein tragikomisches Pathos, als habe jemand dem kleinen Felix sein Schäufelchen geklaut.
Der folgende Mozart war auch durch das ausgezeichnete Kammerensemble nicht mehr zu retten - ein endloses sechssätziges Divertimento (KV 247), das offensichtlich Gebrauchs- und Hintergrundmusik war und im Konzertsaal nicht zu suchen hatte, und auch nicht durch Jugend zu entschuldigen war.
Man hatte ausgiebig Zeit, den frischrenovierten Saal zu beäugen, der hellhölzerne IKEA-Einheitsoptik ähnlich dem Konstanzer Audimax gewagt mit Deckenpanelen und Kristalleuchten aus den Fünfzigern kombinierte. Die Akustik war in den vorderen Reihen ausgezeichnet, leider auch die aus dem Auditorium: muß man sich eigentlich für knarzende Sitze und einen Boden entscheiden, der unter jeder Gummisohle entsetzlich quietscht?
Nach der nicht sonderlich erholsamen Pause im restlos überfüllten Foyer spielte man Mendelssohns Streichersymphonie Nr. 7: wieder frühromantisches Aufbrausen im Wechsel mit hübsch altmeisterlicher Polyphonie, stellenweise allerdings etwas unausgegoren. Trotzdem keine Entschuldigung für die Würzburger, im langsamen Satz wie ein ganzes Sanatorium zu husten und sich besorgt nach dem wechselseitigen Befinden zu erkundigen - das hätten sie allerhöchstens im Divertimento gedurft!
Das letzte Stück des Abends war dann eine doch recht gefällige und runde Mozartsymphonie (KV 129), die uns etwas versöhnte: Klein Felix wurde noch einmal vorgeführt, was eine richtige Mannheimer Walze ist.
Es gab freundlichen Applaus, einen nicht sehr kleidsamen Bocksbeutel für den Herrn Primarius und eine Ehrenrettung für Mozart in der Nachspielzeit: die letzten zwei Sätze aus der allseits beliebten A-Dur Symphonie KV 201, fröhlich beschwingt, und, da laut und deutlich als "ohne Wiederholung" (Finale) deklariert, auch ohne Mißverständnisse im Orchester.
Dienstag, 10. November 2009
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