Auf gewohntem Platz hatte man heute wieder einmal eine kurzfristige Änderung vorzufinden: Amneris oder vielmehr deren Darstellerin
Stefania Kaluza war erkrankt; in diesem Fall nahm man das mit freudigem Blick zur Kenntnis:
Annamaria Chiuri sollte vertreten, zumindest keine Umbesetzung, die in einen zurück ins Parkhaus treibt.
In der brütenden Hitze des Opernhauses gab es dann einen gepflegten Repertoire-Abend zu erleben. Die Inszenierung (
Nicolas Joel) versetze die Handlung kurzweg in die Kolonialzeit, eine nette Idee: Englische und Französische Touristen schauen neugierig dem munterem Abschlachten und Treiben und Ritengefeiere der Äthiopier und der Ägyter zu. Das Bühnenbild (
Ezio Frigerio) machte die ohnehin schon recht enge Bühne noch ein bisschen enger und war um es kurz zu machen etwas blöd: Der mit zwei dicken Bertas bestückte Nildampfer, auf dem Radames vom siegreichen Feldzug zurückkehrt, war sicher nicht schwimmfähig, und überhaupt hat man mit Kieltüren schlechte Erfahrungen, gerade wenn sie zum Be- und Austreten benutzt werden. Und: Gibt es in Ägypten tatsächlich so viele Gewächshäuser? Außerdem war es die ganze Zeit so völlig unägyptisch dunkel auf der Bühne. Nun gut, kommen wir zum Wesentlichen, der Musik.
Annamaria Chiuri schlug sich sehr respektabel, sie singt sauber, mit noch sehr fester und sicherer Stimme, keine störendes Vibrato, aber auch kein volles weiches Mezzoströmen. Ihre Amnersi war solide, aber nicht mitreisend, sagen wir zweite Garnitur und zeimlich gut angezogen.
Chiara Angella gab eine Aida, die sehr zerbrechlich wirkte, nicht nur weil sie eine sehr zarte Person ist, sondern weil sie keine Aida der großen Töne war: Ihr Piano ist hinreisend, sicher eingesetzt und sauber in der Maske, ihr Forte dagegen wirkt recht matt und leidet an einem vehemten Vibrato, das man nicht unbedingt noch verstärkt wissen möchte. Mit ihr erlebte man die innigsten Momente des Abends und man würde sich wünschen, sie einmal wieder in Zürich zu sehen, vielleicht in einer Partie, die ihrer stimmlichen Disposition etwas mehr entgegen kommt.
Ihr Gegenüber Radames, war mit
Salvatore Licitra recht prominent besetzt, der mittlerweile äußerlich sehr runde Tenor hinterließ stimmlich einen unrunden Eindruck: Berückend das Schluss - B im "Celeste Aida" ins Pianissimo zurückgenommen, zu kämpfen hatte er nie; er singt die Partie souverän und nie um ein paar kräftige Töne verlegen. Störend ist einfach seine Stimme, die nur selten wirklichem Schmelz entwickelt und im ganzen eher zum Schreien verführt, hoffen wir, dass er das nicht allzuoft macht: Er ist eine solide Besetzung und hatte recht berückende Momente, die freilich durch armdicke, blöckende Geräusche zu leiden hatte, die zwar in die Stütze, jedoch weit aus der Maske gesetzt waren.
Juan Pons verwaltete als Amonasro solide die Rudimente seiner Stimme, er singt sehr einzeltonbezogen und hatte am Anfang etwas mit Luft und Rotz zu kämpfen. Dennoch muss man zugestehen, dass er den souveränsten Eindruck hinterlassen hat. Der König von
Giuseppe Scorsin war normal und solide, eine brauchbare Ensemble-Besetzung. Das kann man von
Andreas Hörl s Ramfis nicht behaupten: Da singt einer eine Basspartie, der sicher kein Bass ist, weil er über keinlerlei Tiefe verfügt, sondern einfach nur in der ihm von seinem Lehrer Kurt Moll vererbten Quetschknödelei den Mund aufsperrt, und wenn man einen tiefen Ton hört, klingt er wie aus einem Jauchefassdidgeridou gezogen. Überhaupt ist die klangliche Ähnlichkeit zu seinem Lehrer das frappanteste an der Stimme. Herr Hörl: Bitte, bitte singen Sie doch Bariton, das ist das, was sie können! Merkt das ihr Stimmpate nicht? Ein Kurzes tenorales Glanzlicht war der Auftritt des Boten, der mit viel Schmelz und sicherster Technik überzeugte. Von
Benjamin Bernheim wird man noch hören, trotz des Namens!
Die Enttäuschung des Abends war das Dirigat von
Miguel Gomez-Martinez und die Leistung des Opernorchesters: Die Ouvertüre matt und flügellahm wie Kornflakes in heißer Milch, mangelnde Kommunikationsbereitschaft des Orchesters trotzte dem Bemühen des Dirigenten. Die Tempi des Maestro waren sehr eigenwillig: Man kann Verdi so langsam spielen, dass sogar ich gähne, da hilft es auch nicht, dass man am Ende der Bilder das Tempo kurfristig verdreifacht, was dann der Chor und die Sänger nur eingeschränkt mittragen können. An dieser Stelle der Appell an Xandi Pereira: Bitte Herrn Gomez - Martinez nicht zum GMD berufen, auch wenn oder gerade weil er in Bern tätig ist!
Alles in allem ein Opernabend mit luciden Momenten aber zu wenig Charme, um ein "vai un bis" in den Raum zu werfen. Und bitte: Irgendwer muss die Luftumwälzungsanlage reparieren!