Ach, Ihr lieben Würzburger! Müßt Ihr Euch zum Husten, Schwatzen und Türenknallen ausgerechnet den Variationensatz des Kaiserquartetts aussuchen!
Insbesondere, da er vom Leipziger Streichquartett ausgesprochen schön musiziert wurde: schlank und gläsern, dadurch gelegentlich fast dissonant, ohne falsch zu sein - bewegt, aber nicht hastig.
Alles in allem war die an diesem Ort vielfach beschworene Rasanz wohldosiert eingesetzt: meist nur ein einzelner virtuoser Satz, typischerweise das Finale, ansonsten waren die Tempi geerdet, und fühlten sich schlicht richtig an, dem Charakter des Einzelsatzes angemessen.
Neben dem Haydn standen noch Mendelssohn op. 13 und Schumann op. 41/3 auf dem Programm, was auf den ersten Blick gefällig und nicht sehr ausgesucht wirkte. Es spricht für die Leipziger, wie sie die Bezüge zwischen den Stücken in Szene setzten: im Haydn schlugen sie mit fast Beethovenscher Dynamik einen Bogen in Richtung Romantik, die Finalreminiszenz aus dem Kopfsatz im Mendelssohn klang nach Schumanns Kunstgriffen, während die punktierten Geigenfiguren und bordunähnlichen Bässe in Schumanns Finale zu Haydn zurückführten.
Überhaupt der Schumann: Schumanns Quartette machen es dem Hörer nicht leicht, man verliert gerne den Überblick über die Satzstruktur und wünscht sich generell einen roten Faden in all dem romantischen Überschwang. Nicht, daß Schumanns ausladendes Werk, das die ganze 2. Hälfte füllte, bei den Leipzigern methodisch geklungen hätte; der Zuhörer ließ nur das Programmheft sinken, staunte und genoß: die symphonische Klangfülle, die im Haydn gottseidank und im Mendelssohn leider noch ein bißchen fehlte, die himmlischen Längen im langsamen Satz.
"Eigentlich hatten wir an dieser Stelle einen weihnachtlichen Choral vorbereitet, aber ich habe die Noten vergessen. Also spielen wir etwas, was Sie vielleicht schon von uns kennen..."
Immerhin verstand das Publikum, daß dieser schlicht-bewegenden Zugabe nun wirklich nichts hinzuzufügen war, man applaudierte dezent und ging.
PS: Ich höre die Herren im Februar in der Carnegie Hall.
Dienstag, 22. Dezember 2009
Kampfknutschen im Hochhaus
Heute wieder bei Arte im Programm: Oper an unwirtlichen Orten. Das Stadttheater Bern will nicht hinter Zürich zurückstehen und produziert La Bohème en banlieue.
Alles in allem handelte es sich um ein sehr ordentliches Schweizer Hochhaus, mit gediegenem Waschkeller, Panoramafenstern und Vorgarten. Hätte man das Stück in der Pariser Banlieue oder in der Platte gespielt, wäre die Inszenierung vielleicht doch durch den gelegentlichen spontanen Pflasterstein oder einen dezenten Molotovcocktail aufgepeppt worden, hier gab es höflichen Applaus, und Hausbewohner, die den Sängern brav die Fertigpizza in den Kühlschrank räumten. Der einsame Graffitti-tag an der Betonwand wirkt, als habe man ihn extra für die Oper aufsprühen lassen. Für das Einkaufszentrum im 2. Akt zeichnete übrigens Daniel Libeskind verantwortlich.
Rodolfo beim ungelenken Grimassenschneiden während Mi chiamano Mimì zuzuschauen, war amüsant (selten so gelacht bei der Arie), offensichtlich war das Stück seiner Libido deutlich zu lang, sie gingen sich auch relativ unverzüglich an die -äh- Oberbekleidung. Man bot alles in allem eine solide Sängerleistung, insbesondere in den beiden letzten Akten. Könnte sein, daß sich das gute Berner Stadttheater da etwas aufgepeppt hat…
Insgesamt schien das Konzept nicht schlecht aufzugehen, vielleicht auch, weil es trotz Liveeinspielung mit gut koordinierter Zuschauerbeteiligung so offensichtlich ein Fernsehfilm war, bei dem anständiges Regietheater dem technischen Aufwand vorgezogen wurde. Zwischendurch wurden bodenständige Anwohner und niedliche Kinder mit Zahnlücken interviewt, um die Umbaupausen zu überbrücken, das war zum Teil etwas schmerzhaft.
In der Mall war das Orchester vor McDoof postiert, praktisch, dann kann man seine McNuggets schon während der Oper organisieren und muß nicht immer an den Konstanzer Bahnhof fahren.
Der Bus, der die tote Mimi wegfährt ("Endstation", haben die unser Blog gelesen?), ist ordentlich-umweltbewußt mit Biogas betrieben. Manchmal muß man die Schweiz einfach lieben.
Alles in allem handelte es sich um ein sehr ordentliches Schweizer Hochhaus, mit gediegenem Waschkeller, Panoramafenstern und Vorgarten. Hätte man das Stück in der Pariser Banlieue oder in der Platte gespielt, wäre die Inszenierung vielleicht doch durch den gelegentlichen spontanen Pflasterstein oder einen dezenten Molotovcocktail aufgepeppt worden, hier gab es höflichen Applaus, und Hausbewohner, die den Sängern brav die Fertigpizza in den Kühlschrank räumten. Der einsame Graffitti-tag an der Betonwand wirkt, als habe man ihn extra für die Oper aufsprühen lassen. Für das Einkaufszentrum im 2. Akt zeichnete übrigens Daniel Libeskind verantwortlich.
Rodolfo beim ungelenken Grimassenschneiden während Mi chiamano Mimì zuzuschauen, war amüsant (selten so gelacht bei der Arie), offensichtlich war das Stück seiner Libido deutlich zu lang, sie gingen sich auch relativ unverzüglich an die -äh- Oberbekleidung. Man bot alles in allem eine solide Sängerleistung, insbesondere in den beiden letzten Akten. Könnte sein, daß sich das gute Berner Stadttheater da etwas aufgepeppt hat…
Insgesamt schien das Konzept nicht schlecht aufzugehen, vielleicht auch, weil es trotz Liveeinspielung mit gut koordinierter Zuschauerbeteiligung so offensichtlich ein Fernsehfilm war, bei dem anständiges Regietheater dem technischen Aufwand vorgezogen wurde. Zwischendurch wurden bodenständige Anwohner und niedliche Kinder mit Zahnlücken interviewt, um die Umbaupausen zu überbrücken, das war zum Teil etwas schmerzhaft.
In der Mall war das Orchester vor McDoof postiert, praktisch, dann kann man seine McNuggets schon während der Oper organisieren und muß nicht immer an den Konstanzer Bahnhof fahren.
Der Bus, der die tote Mimi wegfährt ("Endstation", haben die unser Blog gelesen?), ist ordentlich-umweltbewußt mit Biogas betrieben. Manchmal muß man die Schweiz einfach lieben.
Montag, 7. Dezember 2009
München ist auch nicht schlecht
Wer in der Provinz wohnt, muß sich zu helfen wissen. Gut, wenn man aus alten Zeiten noch haufenweise kulturbeflissene Freunde in diversen Großstädten mit ausreichend Gästesofas hat. Am letzten Donnerstag fanden wir uns also im Münchner Herkulessaal zum Stelldichein mit dem BR-Orchester unter David Robertson und Vadim Repin ein. Das Programm war tendenziell ohrenfreundlich, aber doch mutiger als die ewige Würzburger Mozart-Mendelssohn-Leier: das Brahms-Konzert op. 77, in der zweiten Hälfte dann Ravels Valses nobles et sentimentales und Skrjabins Poème de l'extase.
Auf die Gefahr hin, als analfixierter Akustiker verschrien zu sein, erst zum Saal: Trotz der sehr ähnlichen Bauweise hat mich der Herkulessaal deutlich mehr überzeugt als der große Saal der Tonhalle: Auf der Galerie, Mitte links, relativ nah an den ersten Geigen, war der Klang ausgeglichen und transparent, dabei aber durchaus nicht trocken. Die Höhen waren freilich ziemlich schrill. Schade um die lyrischen Partien im Brahms.
Der ist jedem Zuhörer sattsam bekannt - im Konzert hatte ich ihn allerdings noch nicht gehört. Die Interpretation war durchaus sportlich, insbesondere im rubatofreien Einstieg der Sologeige im ersten Satz. Repin, der nur am Anfang noch etwas schlampte, beeindruckte in der virtuosen Attacke, die lyrischen Passagen waren mir persönlich etwas zu offen, zu wenig intim. Vielleicht störten da auch die spitz übertragenen Höhen.
Mitreißend war das Rondo: da stolperten die Synkopen und rhythmischen Schiebungen in den tanzenden Dreiachteltakt, daß es eine Freude war, kleine Details wie die Streicherschnulpen in der Stretta bekamen gestaltende Kraft und Repins fröhlich-kräftiges Zupacken sorgte für Spaß auf und vor der Bühne.
Nach der Pause machten sie mit Ravel etwas gedämpfter weiter. Das aufgestockte Orchester glänzte jetzt solistisch und spielte wacker und nicht allzu sentimental, aber zum Walzer hätte man sich an dieser Stelle, wenn nicht Kaffee und Sachertorte, doch grünen Tee und ein, zwei Petit fours zur Stärkung gewünscht.
Inzwischen war es auf dem Podium gehörig voll, inklusive 8 Hörnern, Baßtuba, Kontrafagott, Celesta, Glocke, und man produzierte gekonnt Extase.
Schlußapplaus. Zwei Eindrücke: Mann, das war mal richtig laut. Kriegen wir das nochmal langsam zum Mitschreiben?
Auf die Gefahr hin, als analfixierter Akustiker verschrien zu sein, erst zum Saal: Trotz der sehr ähnlichen Bauweise hat mich der Herkulessaal deutlich mehr überzeugt als der große Saal der Tonhalle: Auf der Galerie, Mitte links, relativ nah an den ersten Geigen, war der Klang ausgeglichen und transparent, dabei aber durchaus nicht trocken. Die Höhen waren freilich ziemlich schrill. Schade um die lyrischen Partien im Brahms.
Der ist jedem Zuhörer sattsam bekannt - im Konzert hatte ich ihn allerdings noch nicht gehört. Die Interpretation war durchaus sportlich, insbesondere im rubatofreien Einstieg der Sologeige im ersten Satz. Repin, der nur am Anfang noch etwas schlampte, beeindruckte in der virtuosen Attacke, die lyrischen Passagen waren mir persönlich etwas zu offen, zu wenig intim. Vielleicht störten da auch die spitz übertragenen Höhen.
Mitreißend war das Rondo: da stolperten die Synkopen und rhythmischen Schiebungen in den tanzenden Dreiachteltakt, daß es eine Freude war, kleine Details wie die Streicherschnulpen in der Stretta bekamen gestaltende Kraft und Repins fröhlich-kräftiges Zupacken sorgte für Spaß auf und vor der Bühne.
Nach der Pause machten sie mit Ravel etwas gedämpfter weiter. Das aufgestockte Orchester glänzte jetzt solistisch und spielte wacker und nicht allzu sentimental, aber zum Walzer hätte man sich an dieser Stelle, wenn nicht Kaffee und Sachertorte, doch grünen Tee und ein, zwei Petit fours zur Stärkung gewünscht.
Inzwischen war es auf dem Podium gehörig voll, inklusive 8 Hörnern, Baßtuba, Kontrafagott, Celesta, Glocke, und man produzierte gekonnt Extase.
Schlußapplaus. Zwei Eindrücke: Mann, das war mal richtig laut. Kriegen wir das nochmal langsam zum Mitschreiben?
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