Wer in der Provinz wohnt, muß sich zu helfen wissen. Gut, wenn man aus alten Zeiten noch haufenweise kulturbeflissene Freunde in diversen Großstädten mit ausreichend Gästesofas hat. Am letzten Donnerstag fanden wir uns also im Münchner Herkulessaal zum Stelldichein mit dem BR-Orchester unter David Robertson und Vadim Repin ein. Das Programm war tendenziell ohrenfreundlich, aber doch mutiger als die ewige Würzburger Mozart-Mendelssohn-Leier: das Brahms-Konzert op. 77, in der zweiten Hälfte dann Ravels Valses nobles et sentimentales und Skrjabins Poème de l'extase.
Auf die Gefahr hin, als analfixierter Akustiker verschrien zu sein, erst zum Saal: Trotz der sehr ähnlichen Bauweise hat mich der Herkulessaal deutlich mehr überzeugt als der große Saal der Tonhalle: Auf der Galerie, Mitte links, relativ nah an den ersten Geigen, war der Klang ausgeglichen und transparent, dabei aber durchaus nicht trocken. Die Höhen waren freilich ziemlich schrill. Schade um die lyrischen Partien im Brahms.
Der ist jedem Zuhörer sattsam bekannt - im Konzert hatte ich ihn allerdings noch nicht gehört. Die Interpretation war durchaus sportlich, insbesondere im rubatofreien Einstieg der Sologeige im ersten Satz. Repin, der nur am Anfang noch etwas schlampte, beeindruckte in der virtuosen Attacke, die lyrischen Passagen waren mir persönlich etwas zu offen, zu wenig intim. Vielleicht störten da auch die spitz übertragenen Höhen.
Mitreißend war das Rondo: da stolperten die Synkopen und rhythmischen Schiebungen in den tanzenden Dreiachteltakt, daß es eine Freude war, kleine Details wie die Streicherschnulpen in der Stretta bekamen gestaltende Kraft und Repins fröhlich-kräftiges Zupacken sorgte für Spaß auf und vor der Bühne.
Nach der Pause machten sie mit Ravel etwas gedämpfter weiter. Das aufgestockte Orchester glänzte jetzt solistisch und spielte wacker und nicht allzu sentimental, aber zum Walzer hätte man sich an dieser Stelle, wenn nicht Kaffee und Sachertorte, doch grünen Tee und ein, zwei Petit fours zur Stärkung gewünscht.
Inzwischen war es auf dem Podium gehörig voll, inklusive 8 Hörnern, Baßtuba, Kontrafagott, Celesta, Glocke, und man produzierte gekonnt Extase.
Schlußapplaus. Zwei Eindrücke: Mann, das war mal richtig laut. Kriegen wir das nochmal langsam zum Mitschreiben?
Montag, 7. Dezember 2009
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