Dienstag, 21. April 2009

Philharmonisches Konzert mit Live-Kommentaren

Da wir uns im Tag geirrt hatten, hätten wir den "frechen Dreier", bestehend aus Liszts erstem, Rachmaninovs zweitem und Beethovens fünftem Klavierkonzert beinahe verpasst.
Nach einem Besuch bei unserer wieder eröffneten Lieblingseisdiele statteten wir dem Konzil spontan doch noch einen Besuch ab. Vom Vorraum des Saales konnten wir zumindest Beethovens kaiserlichem Konzert fast von Anfang an lauschen. Anmerkung: dies soll keine Einladung dazu sein, kein Geld mehr für die Philharmonie auszugeben, zumal das Orchester bei der ohnehin schon gedämpften Akustik durch die Glastüre kaum durchdrang! Der Pianist (es waren an diesem Abend drei Pianisten) spielte in unseren Augen etwas matschig und schien eher auf Effekthascherei anstatt Musikalität aus zu sein. Einige Temposchwankungen und Holzbläserunreinheiten, ansonsten war es nett, das Monumentalwerk mal als Außenstehender zu genießen - und live darüber zu lästern.

Ein Orchestermitglied merkte später an, dass es im Konzil aufgrund der miserablen Aksutik ohnehin keine Rolle spiele, ob man vor oder hinter der Glastür der Musik lauscht - ein weiteres Argument für das in Klein-Venedig geplante Konzerthaus!

Montag, 20. April 2009

Etwas verspätet: die Johannespassion in der Lutherkirche Konstanz

Erkenntnis: man kann seine Blogeinträge auch so lange vor sich herschieben, bis man sich an das Konzert kaum mehr erinnern kann.
Verschiedene Roktettmitglieder haben am Karfreitag die Johannespassion in der Konstanzer Lutherkirche besucht, in Erinnerung geblieben sind gewisse Unstimmigkeiten beim Chor (manch einer war im Text ab und zu eine Silbe voraus bzw. hinterher), nervöse Musiker, wobei ich beim besten Willen nicht mehr weiß, um welche Instrumente es sich genau handelte, und solide Solisten. In die Korrektur des "Programmheftes" dürfte ein bisschen mehr Zeit investiert werden, nicht alles, was da geschrieben stand, lässt sich mit nicht ganz zeitgemäßem Deutsch entschuldigen.
Überhaupt - die Texte: es hätte nicht verwundert, wäre es nach der äußerst vielfältigen Verunglimpfung von Jesus' jüdischen Glaubensbrüdern und -schwestern zu einiger Aufruhr gekommen, in meiner naiven Unwissenheit fand ich einige Sätze doch nicht ganz tragbar.
Wie wär's also mal mit einem neuen Text für die Johannespassion?
Allerdings drängte sich ohnehin die Vermutung auf, dass ein großer Teil des Publikums diese Veranstaltung NICHT wegen der Musik besuchte.

Letztes Fazit eines wunderbar durchschnittlichen Abends: die Kellnerin unseres nach-konzertlichen Lieblings-Etablissements verdient bald einmal einen eigenen Blog-Eintrag. Sinophilen Madrilenen liefen die Tränen übers Gesicht und eine gewisse Historikerin wurde von der Dame mehrfach jovial schmerzhaft in die Seite geboxt, während sie mit einem höchst amüsierten Jung-Regisseur ernsthafte Diskussionen über den Genuss bröseliger Brötchen führte, das geht so nicht!

Mittwoch, 15. April 2009

Theologische Zwickmühle

Für alle, die Karfreitag abend nicht in der Johannespassion waren (wie war die eigentlich?), gab es morgens im Gottesdienst die Passion für Eilige: Alle Choräle mit Lesungen des Pfarrers dazwischen.
Bach-Choräle morgens um 10 a cappella sind eine heikle Sache, man schlug sich wacker und sackte nicht allzu tief. Wie hieß es schon in meinem Karlsruher Kirchenchor:
Wer dem Chor am Sonntagmorgen vertraut,
der hat auf reinen Sand gebaut…

Zwei Anmerkungen zur Lesung:
"Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben mich dir überantwortet", kann im Eifer des Gefechts ja passieren. Ein kurzer, nicht völlig unwichtiger Satz fehlte mir aber doch:
Und neigte das Haupt und verschied.

Was ist dann eigentlich mit der Auferstehung?

Mittwoch, 8. April 2009

Mai Tosca alla scena più tragica fu!


Seht das schöne Opernhaus,
sieht es nicht phantastisch aus?
Nachdem mich mein Bürotenor den halben Morgen mit segmentation faults aufgezogen hatte, zog ich äußerst erwartungsfroh nach Zürich, wo gestern abend unter anderem Tenöre gefoltert wurden.
Die Bregenzer Tosca im letzten Sommer gab ja genügend Stoff für Lästermäuler wie mich; der heutige Beitrag wird dagegen nicht einfach. In summa klappte einem ab dem ersten Takt die Kinnlade herunter und wurde beim Schlußvorhang wieder aufgesammelt.

Das einzige große Auge des Abends wurde im dritten Akt von Cavaradossi mit Kreide an die Mauer gekritzelt (s.u.): von high tech konnte keine Rede sein. Dafür gab es dichtes Kammerspiel auf angenehm kleiner Bühne und die gewohnt phänomenale Zürcher Akustik.
Gegen die Inszenierung (Robert Carson) konnte man nicht viel sagen, aufregend war sie aber auch nicht. Sie erschöpft sich eigentlich in der Idee eines Theaters auf dem Theater, die Szene ist im Parkett, hinter dem Brandschutzvorhang, oder mit Blick über die Proszeniumslichter in einen gähnend schwarzen Zuschauerraum, in den sich Tosca am Schluß mit einem anmutigen Hüpfer verabschieden darf.
Alles dreht sich um Tosca, die Madonna, Primadonna, Angebetete je nach Bedarf verkörpern muß. Programmhefte mit ihrem Konterfei dienen als Requisit, gelegentlich auch als erotische Vorlage, das ist praktisch und spart Kosten. Autogramme werden auch gleich auf der Bühne gegeben.
Daneben läßt die Inszenierung den Sängern mächtig Freiraum, was insbesondere beim Showdown Tosca-Scarpia im 2. Akt nicht schlecht war.
Emily Magee spielte eine strahlende launische Diva mit Momenten großer Tragik. Nebenbei ein Lob an die Kostümabteilung, die ihr Teil zum großen Auftritt beitrug - allerdings war das Negligé im zweiten Finale etwas knapp angesichts der mörderischen Anstrengungen, man fürchtete um Magees Dekolleté. Ihre Angewohnheit, beim Beten und Flehen die Arme etwas ulkig in der Luft zu verrenken, wirkte angesichts des lapisblauen Abendkleides manchmal wie eine Yves Klein-Performance. Überhaupt das Kleid: Nach vollbrachtem Mord mußte es wieder angezogen werden, was ein ziemliches Gefummel war. Als echter Kavalier hätte Hampson eigentlich auferstehen und helfen können! Passenderweise verlängerte sich die Umbauphase zum dritten Akt, weil "etwas klemmte". Was genau, wurde verschwiegen…
Thomas Hampson gab seine Rolle als gegelter Unsympath im Smoking mit enormer physischer Präsenz, vom säulenumrahmten Auftritt in luftiger Höhe bis zum gewalttätigen Ableben. Sein spöttisch nachgeschobener Applaus nach dem "Vissi d'arte" war einer der besten Regieeinfälle.
Jonas Kaufmann hing wahlweise leidend auf der Bühne herum oder herzte La Magee, aber mehr muß ein Cavaradossi ja auch nicht machen.
Die Damen und Herren Kaufmann, Carignani, Magee, Hampson etc. Bravi!

Musikalisch hatte man am Anfang des ersten Aktes leichte Anlaufschwierigkeiten: Kaufmann im Piano-Brustregister und mit einem winzigen Kiekser, Magee fehlte in der "Non la sospiri la nostra casetta…"-Passage die Geläufigkeit und auch ein bißchen die Kontrolle. Hampson war beim "Va Tosca … Te Deum" noch etwas zu leise. Scarpia fällt einfach nicht ins lyrische Baritonfach, und die Arie ist auch stimmlich eine brutale schwarze Machtdemonstration.
Der zweite Akt lag Hampson deutlich besser. Scarpia ist nicht nur brutal: ein eiskalter Verführer und perverser Manipulator. Der große Don Giovanni Hampson kann da alle Register ziehen.
Magee war etwas herb in den tieferen Lagen, dafür aber stark, weich und sicher in den Höhen. Dabei scheute sie nicht die gelegentliche kalkulierte Unschönheit: Ihr heiseres "E avanti a lui tremava tutta Roma" jagte einem Schauer über den Rücken. Ein überzeugendes Rollendebut.
Kaufmanns lyrisch-baritonal gefärbter Tenor paßt gut sowohl zu Puccini als auch zu Magees Stimmcharakter. Er nutzte seinen beträchtlichen dynamischen Ambitus mal wieder voll aus, vom hauchdünnen, etwas artifiziellen Pianissimo in "E lucevan le stelle" zum gepflegten Vittoria-Brüller, der einen auch im 2. Rang noch gehörig föhnte.
Das Opernorchester tat dazu sein Bestes, mit wuchtigem Schlagwerk und erstklassigen Orchestersolisten. Paolo Carignanis Dirigat war zügig und glücklicherweise relativ unsentimental. Die Arien wurden ohne viel Federlesen abgewickelt: gerade Magee hätte beim "Vissi d'arte" anscheinend gerne mehr Zeit gehabt, wurde aber freundlich-bestimmt zurück ins Tempo befördert. Das wirklich Beeindruckende des Abends waren aber die Ensembleszenen mit teilweise orgiastischer Klangentwicklung. Die gehört sich ja auch bei Puccini.

Dienstag, 7. April 2009

Für Kinder und andere höfliche Menschen - Haydn, Mendelssohn und Bruch in Zürich

Sonntagvormittag machten wir uns auf zur Kammermusik-Matinée in der Tonhalle, deren Publikum weiter unten Stoff für ausführliche Diskussionen geliefert hat.
Fakt: um Viertel nach elf scheinen tatsächlich höflichere Menschen ins Konzert zu gehen, was auch daran liegen könnte, dass die Musiker nicht ganz so berühmt waren wie das Hagen-Quartett (nein, wir sind nicht polemisch. Überhaupt nicht).
Mitglieder des Tonhalle-Orchesters spielten das zweisätzige Streichquartett von Joseph Haydn in d-Moll op. 103, solide, aber ohne größere Überraschungen, genaueres Feedback ist aufgrund des Allgemeinzustandes der in Zürich übernachtenden Roktett-Mitglieder (Müdigkeit, Krankheitserscheinungen) nicht mehr verfügbar - Martin, vielleicht solltest du mal bloggen?
Es folgten Mendelssohns vier Stücke für Streichquartett op. 81, der erste von vier eigentlich nicht zusammen gehörenden Sätzen für meinen Geschmack etwas zu geigenlastig, aber die Fuge weckte angenehme Erinnerungen an das Programm der Emersons in Hohenems.
Glanzstück des Vormittags war das lang erwartete und viel gerühmte Bruch-Oktett, das auch den letzten der müden Zuschauer erweckte und vor allem die kammermusikbegeisterten Kontrabassisten im Publikum glücklich machte, hatten sie doch auch endlich eine Identifikationsfigur. Das Programmheft erwähnt die Ungeheuerlichkeit, die Max Bruch sich geleistet hat, als er im Jahre 1920 als Zweiundachtzigjähriger nicht modern komponierte, sondern unbeirrt an der Romantik festhielt, und dem Fazit von Jens-Peter Schütte schließen wir uns mit Vehemenz an: "von solcher Frische, solcher Leidenschaft und solchem Feuer hätten sich selbst manche Vertreter der neuen Musik eine Scheibe abschneiden können."
Jawohl!

Erwähnung finden sollte zu guter Letzt die Existenz einer Kindermatinée, die den Eltern erlaubt, in Ruhe dem Konzert zu lauschen, während die Kinder wohl hinter der Bühne altersgerecht in die Stücke eingeführt werden und dazu malen dürfen. Dies führt dazu, dass vierjährige Mädchen in pinken Kleidchen nach dem Konzert in der Schlange vor der Toilette mit Frau Mama über Mendelssohn philosophieren - sehr charmant!

Sonntag, 5. April 2009

Von Muse und Mammon

Unabhängig davon, wie ich selbst über Leute denke, die sich während einer musikalischen Veranstaltung ohne ersichtlichen Grund daneben benehmen, muss ich sagen, dass bis zum letzten regulären Ton einer Veranstaltung gewisse Grundlagen der Höflichkeit gelten, die schlichweg nicht abdingbar sind: Keine Geräusche, nur in Notfällen aufstehen, zuhören.
Mit dem Verklingen des letzten Tones steht es aber jedem frei, seine Meinung über die Veranstaltung in welcher Form auch immer zum Ausdruck zu bringen: Trillerpfeife, "Buhhuhuhuh", Aufstehen und Gehen, Begeistertes Klatschen. Das sind die Regeln, auf die lässt sich jedermann ein, wenn er einen Konzertsaal oder ein Opernhaus betritt. Das gilt insbesondere auch für die Künstler, die als Dienstleister von dieser Möglichkeit leben, ohne bei Schlechtleistung Minderungsansprüchen an ihrer Gage ausgesetzt zu sein!

Es steht dann natürlich auch jedermann - also Künstlern wie Besuchern - frei, sich über ein bestimmtes Publikum entsprechend zu äußern und es notfalls mit dem Entzug der eigenen Anwesenheit zu bestrafen. Ich für meinen Teil habe entschieden, mir den Staub der meisten personellen Auditorien von den Füßen wischen und lediglich im Extremfall mein eigenes Missfallen gegenüber bestimmten Verhaltensformen deutlichst zum Ausdruck zu bringen.

Davon zu trennen ist die Frage, wie Kunst bezahlt wird, und ob man für das Stattfinden von Kunst nicht die Anwesenheit eines kunstfernen Oberschichtenprekareats in Kauf nehmen muss.
In Deutschland wird die Kunst mit Steuergeldern bezahlt, das heißt wenn wir in der Deutschen Oper Berlin oder in der Berliner Philharmonie eine Karte für 15 EUR kaufen, zaht der Steuerzahler daran 85 EUR, um die Kosten des Veranstaltungsbetriebes zu decken. Demnach finanzieren in Deutschland und im extremsten Maße in Berlin etwa 5 - 7 % der Steuerzahler 85 % des musikalischen Vergnügens. Es kommen nur die, die wollen und die meisten bleiben weg. Dieses System ist weltweit einmalig und oft einer mehr oder minder berechtigen Kritik unterworfen - nichtsdestotrotz bin ich sein größter Anhänger und Verfechter. Allerdings weiß niemand, wie lange dieses System aufrechterhalten werden kann.

In allen anderen Ländern dieser Welt muss Kunst von den Menschen bezahlt werden, die sie besuchen. Und weil Kunst teuer ist - besonders der Erhalt von Gebäuden und die Gagen der Künstler - muss es Leute geben, die bereit sind, viel für Kunst zu bezahlen und das auch können, unabhängig davon, ob sie irgendetwas davon verstehen oder mit welcher Motivation sie die Veranstaltung aufsuchen - sonst fände Kunst nämlich schlicht und einfach nicht statt. Dabei werden in Zürich die Preise so kalkuliert, dass die reichen Kulturbanausen soviel bezahlen, dass es auch günstigere Plätze geben kann. Wenn wir das Hagenquartett für 35 SFR hören, muss der dicke Zuspätkommer mind. 75 SFR abdrücken, weil sonst das Hagenquartett schlicht nicht da wäre. Und nicht einmal das ist kostendeckend, sondern die Veranstaltungen werden von weiteren gönnerischen Kulturbanausen und Abonnenten subventionniert, die lieber gleich richtige Kunst hören als gar keine, welche Motivation auch immer dahinter stecken mag.

Deshalb ziehe ich es vor, mit einem Haufen Banausen einen zumindest musikalisch hervorragenden Abend zu erleben, als zu Hause vor der Stereoanlage von schönen Konzerten träumen zu müssen, weil diese in greifbarer Nähe schlicht nicht stattfinden.

Samstag, 4. April 2009

Das Geschäft mit der Kunst

Die Tonhalle Zürich ist doch immer wieder eine Enttäuschung wegen ihres schlechten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Sicherlich haben schon andere Roktett-Mitglieder mehr Konzertsäle besucht als der Autor dieses Kommentars, jedoch gibt es Dinge, die in einem solch renommierten Konzerthaus nicht auf der Tagesordnung stehen sollten.
Im großen Saal dröhnt die Klimaanlage vehement in jedes Pianissimo und keiner kümmert sich darum. Ist die Tonhalle trotz aller Gönner zu arm für ein Upgrade?
Für Programme des Tonhalle-Orchesters muss man zusätzlich zum vergleichsweise hohen Eintrittspreis noch ein paar Franken hinblättern und wird noch blöd angemacht, wenn man fragt, ob man in Euro bezahlen kann. Ein Hoch auf das Zürcher Kammerorchester!
Zwei Drittel der Besucher scheinen sich mehr um ihren Kleidungsstil und ihr Auftreten Gedanken zu machen als um die Kunst, was sich in höchst unangemessenem Verhalten gegenüber den restlichen - interessierten -  Besuchern und der Künstler auswirkt. Besucher, die versuchen, das ihnen dargebotene nachzuvollziehen oder einfach nur zu genießen.
Es wird geklatscht, wenn die Bögen der Quartettspieler noch in gespannter Position nach einem lyrischen langsamen Satz verharren; es wird geratscht, gehustet und mit den Programmheften rumgespielt. Es kommen Leute nach der Pause zu spät in den Saal und trampeln durch das Publikum, als wären sie selbst der wichtigste Teil des Abends.
Die Höhe ist es, wenn sich die Künstler das zweite Mal verbeugen und ein Drittel des Publikums aufsteht und den Saal verlässt. Wie unhöflich den Künstlern gegenüber und auch den Leuten, die vielleicht auf eine Zugabe hoffen. Dass das Hagen-Quartett unter den Umständen noch eine spielte, fand ich verblüffend. Als die Zugabe anfing konnten sich die "Gehenden" nicht entscheiden, ob sie zur Türe hinausgehen oder doch noch stehen bleiben. Geht es da noch um die Kunst?
Es geht darum, möglichst schnell an der Garderobe zu sein. Als weiteren Grund fallen mir zu erreichende Züge ein, mehr auch nicht. Wenn es mehr schlüssige Gründe für das Verhalten gibt, so erzählt sie mir bitte, vielleicht habe ich dann mehr Verständnis. Wenn jemand zu einem Konzert geht, sollte er damit rechnen, dass es auch ein paar Minuten länger dauern kann bzw. warum sich nicht darüber freuen? Das gilt auch für Abonnenten! Nicht gar besonders für diese?
Oder warum ist es anderorts möglich, sein Konzert - oftmals mit sogar mehr Besuchern - mit mehr Ruhe zu genießen? Orte, bei denen man das Gefühl hat, dass die Besucher für die Musik kommen und nicht um sich selbst darzustellen.

Freitag, 3. April 2009

Hagen in Zürich - Von der Unkultur der Zürcher Abonnenten


Es hat dieses Mal nicht geschneit und es waren alle vier Mitglieder des Streichquartettes vorhanden. Wir waren zu fünft und angesichts der Enge des Wagens sehr froh an zwei unterschiedlichen Klimazonen mit eigenständiger Luftfeuchtigkeits- und Temperaturregelung.
Die Hagens starteten mit Beethoven op. 18 Nr. 5, insgesamt noch recht klassisch, ein schöner Variationensatz. Im Anschluss daran Haydn mit dem Sonnenaufgangsquartett, beeindruckend der zweite Satz mit fast romatischem Hauch. Nach der Pause gab es noch Beethoven Rasumovsky Nr. 2, das Anfangs noch eher gemächlich zu einem furiosen finalen Rondosatz durchgesteigert ist. Die Hagens und ihr zweiter Geiger spielten gewohnt luftig und mit viel Frische, bisweilen mit eigenwilligen Tempi, die auch innerhalb der einzelnen Sätze je nach Primarstimme erheblich variabel erschienen. Sehr überzeugend.

Auffallend war neben der offensichtlichen Spielfreude des Primarius eine sehr lästig kieksende E-Saite - oder hatte sich der Wasserschaden am Tonhallengebäude in seine Geige vorgefressen? Abgesehen von den technischen Überschlägen Clemens Hagens - was ihm angesichts der sehr filigranen, die erste Geige folternden Stücke verziehen sei - und dem ein oder anderen nicht ganz wohlgestimmten Ton zeigte sich das Quartett in ausgezeichneter Verfassung, der Abend war kurzweilig und lies sich auch unter der Balkonade durchaus genießen. Nach drei Vorhängen gab es als Zugabe ein kleine Hommage an Papa Haydn - Kaiserquartett Erster Satz, der beste Höreindruck an diesem Abend.

Sehr zwiegespalten die Meinung über das Publikum, neben einigen Streetkids in der Reihe hinter uns (waren da wirklich Schnarchgeräusche oder war es die malade Luftungsanlage?), die entsetzlich nach Rauch stanken, erregten vor allem die ungeduldigen Zürcher Anzugträger Unmut, die bereits nach dem zweiten Vorhang den Sturm auf die Gaderobe eröffnen wollten und dann über die Zugabe sichtlich erschreckt auf Notplätzen Zuflucht suchen mussten. Ein Abonnement besagt, dass man für Kultur bezahlt, nicht dass man sie versteht - was wichtiger ist, steht im Ermessen des Einzelnen, ebenso die Entscheidung, wann er seinen Platz verlassen möchte.

In der Wartschleife für die Bemantelung fand sich in derselben Verlorengeglaubtes Zahlunsgmaterial wieder, so dass nach einer kurzen Irrfahrt durch die Zürcher Bahnhofsgegend durchaus die pekuniären Voraussetzungen für den Besuch des von einem allseits bekannten Excellisten des Uniorchesters Konstanz als "cosy" angekündigten Szeneclubs an der Bahnhofstrasse gegeben gewesen wären - hätte dieser nicht in Ehrfucht vor der Situation als solcher seine Pforten vor unserem Eintreffen geschlossen.
Die Heimfahrt brachte neue Erkenntnisse über den Amerikanischen Präsidenten und seine (Ver)Führungskraft und einen kurzen Abendessensbesuch in einem Schnellrestaurant mit exzellentem Leumund in der Bahnhofsgegend in Konstanz.