Seht das schöne Opernhaus,sieht es nicht phantastisch aus?Nachdem mich mein Bürotenor den halben Morgen mit
segmentation faults aufgezogen hatte, zog ich äußerst erwartungsfroh nach Zürich, wo gestern abend unter anderem Tenöre gefoltert wurden.
Die Bregenzer Tosca im letzten Sommer gab ja
genügend Stoff für Lästermäuler wie mich; der heutige Beitrag wird dagegen nicht einfach. In summa klappte einem ab dem ersten Takt die Kinnlade herunter und wurde beim Schlußvorhang wieder aufgesammelt.
Das einzige große Auge des Abends wurde im dritten Akt von Cavaradossi mit Kreide an die Mauer gekritzelt (s.u.): von high tech konnte keine Rede sein. Dafür gab es dichtes Kammerspiel auf angenehm kleiner Bühne und die gewohnt phänomenale Zürcher Akustik.
Gegen die Inszenierung (Robert Carson) konnte man nicht viel sagen, aufregend war sie aber auch nicht. Sie erschöpft sich eigentlich in der Idee eines Theaters auf dem Theater, die Szene ist im Parkett, hinter dem Brandschutzvorhang, oder mit Blick über die Proszeniumslichter in einen gähnend schwarzen Zuschauerraum, in den sich Tosca am Schluß mit einem anmutigen Hüpfer verabschieden darf.
Alles dreht sich um Tosca, die Madonna, Primadonna, Angebetete je nach Bedarf verkörpern muß. Programmhefte mit ihrem Konterfei dienen als Requisit, gelegentlich auch als erotische Vorlage, das ist praktisch und spart Kosten. Autogramme werden auch gleich auf der Bühne gegeben.
Daneben läßt die Inszenierung den Sängern mächtig Freiraum, was insbesondere beim Showdown Tosca-Scarpia im 2. Akt nicht schlecht war.
Emily Magee spielte eine strahlende launische Diva mit Momenten großer Tragik. Nebenbei ein Lob an die Kostümabteilung, die ihr Teil zum großen Auftritt beitrug - allerdings war das Negligé im zweiten Finale etwas knapp angesichts der mörderischen Anstrengungen, man fürchtete um Magees Dekolleté. Ihre Angewohnheit, beim Beten und Flehen die Arme etwas ulkig in der Luft zu verrenken, wirkte angesichts des lapisblauen Abendkleides manchmal wie eine Yves Klein-Performance. Überhaupt das Kleid: Nach vollbrachtem Mord mußte es wieder angezogen werden, was ein ziemliches Gefummel war. Als echter Kavalier hätte Hampson eigentlich auferstehen und helfen können! Passenderweise verlängerte sich die Umbauphase zum dritten Akt, weil "etwas klemmte". Was genau, wurde verschwiegen…
Thomas Hampson gab seine Rolle als gegelter Unsympath im Smoking mit enormer physischer Präsenz, vom säulenumrahmten Auftritt in luftiger Höhe bis zum gewalttätigen Ableben. Sein spöttisch nachgeschobener Applaus nach dem "
Vissi d'arte" war einer der besten Regieeinfälle.
Jonas Kaufmann hing wahlweise leidend auf der Bühne herum oder herzte La Magee, aber mehr muß ein Cavaradossi ja auch nicht machen.
Die Damen und Herren Kaufmann, Carignani, Magee, Hampson etc. Bravi! Musikalisch hatte man am Anfang des ersten Aktes leichte Anlaufschwierigkeiten: Kaufmann im Piano-Brustregister und mit einem winzigen Kiekser, Magee fehlte in der "
Non la sospiri la nostra casetta…"-Passage die Geläufigkeit und auch ein bißchen die Kontrolle. Hampson war beim "
Va Tosca … Te Deum" noch etwas zu leise. Scarpia fällt einfach nicht ins lyrische Baritonfach, und die Arie ist auch stimmlich eine brutale schwarze Machtdemonstration.
Der zweite Akt lag Hampson deutlich besser. Scarpia ist nicht nur brutal: ein eiskalter Verführer und perverser Manipulator. Der große Don Giovanni Hampson kann da alle Register ziehen.
Magee war etwas herb in den tieferen Lagen, dafür aber stark, weich und sicher in den Höhen. Dabei scheute sie nicht die gelegentliche kalkulierte Unschönheit: Ihr heiseres "
E avanti a lui tremava tutta Roma" jagte einem Schauer über den Rücken. Ein überzeugendes Rollendebut.
Kaufmanns lyrisch-baritonal gefärbter Tenor paßt gut sowohl zu Puccini als auch zu Magees Stimmcharakter. Er nutzte seinen beträchtlichen dynamischen Ambitus mal wieder voll aus, vom hauchdünnen, etwas artifiziellen Pianissimo in "
E lucevan le stelle" zum gepflegten Vittoria-Brüller, der einen auch im 2. Rang noch gehörig föhnte.
Das Opernorchester tat dazu sein Bestes, mit wuchtigem Schlagwerk und erstklassigen Orchestersolisten. Paolo Carignanis Dirigat war zügig und glücklicherweise relativ unsentimental. Die Arien wurden ohne viel Federlesen abgewickelt: gerade Magee hätte beim "
Vissi d'arte" anscheinend gerne mehr Zeit gehabt, wurde aber freundlich-bestimmt zurück ins Tempo befördert. Das wirklich Beeindruckende des Abends waren aber die Ensembleszenen mit teilweise orgiastischer Klangentwicklung. Die gehört sich ja auch bei Puccini.