Sonntag, 7. September 2008

Berlin Berlin

Man fährt in die Hauptstadt, um sich Kultur zu geben - nun ja, nicht nur, aber auch, und so erwartet man doch einiges, was man in der Provinz nicht zu sehen bekommt.
Zum Beispiel: ein Gratiskonzert auf dem Bebelplatz, gesponsert von einem bayerischen Automobilhersteller, der vor dem Konzert fleißig Werbung machen durfte, aber das nahm man gern in Kauf, die größere Sorge war, wie man Beethovens Neunte ohne Sonnenstich oder klaustrophobische Anfälle überstehen kann.



Auftritt Barenboim mit seiner Staatskapelle, nur über die Leinwand zu erkennen, aber auch das ist durchaus nett, schließlich kommt es bei einem solchen Anlass auf die Atmosphäre an und die ließ nichts zu wünschen übrig, die Leute packten stilvoll in weiß gekleidet ihre Picknickkörbe und Champagnerflaschen aus, so dass man hätte neidisch werden können. Bei dritten Satz schwächelten wir, aber da wir Beethoven nicht für den Rest unseres Leben mit einem Blick auf nackte Füße in Verbindung bringen wollten, standen wir bald wieder auf und genossen das große Finale stehend, mit Blick auf die Uhr, um uns danach am Prenzlauer Berg den Bauch mit indischen Köstlichkeiten vollzuschlagen.
Am nächsten Tag Führung in der Philharmonie, der demokratischen, der schlaue Architekt hat es so eingerichtet, dass die einzigen Plätze mit schlechter Akustik die abgetrennten für die VIPs sind.
Sympathisch.
Ein halbes Streichquartett musste im Kammermusiksaal natürlich gleich noch so tun als ob.




Die Akustik konnten wir am Dienstag beim Konzert des mit vielen Vorschusslorbeeren bedachten Simon Bolivar Youth Orchestra unter Gustavo Dudamel (oder auch: der Hampelmann) testen - sie ist tatsächlich so gut, dass die von mir ohnehin nicht mit viel Liebe betrachteten Blechbläser bis in den letzten Winkel in ohrenbetäubender Lautstärke vordringen. Strawinskys "Sacre du Printemps" war vor allem laut, Tschaikowskys Fünfte nicht, aber die drei Zugaben wurden mit großer Begeisterung gespielt - zwei südamerikanische Showeinlagen inclusive tanzender Musiker und als krönenden Abschluss den Radetzky-Marsch.
Hat man da noch Töne?

2 Kommentare:

avocadohead hat gesagt…

Also ich hab noch n paar: hier ist zu Beispiel ein Cis, extra für Euch...

avocadohead hat gesagt…

A propos Schwächeln im 3. Satz - ich mußte da im letzten Jahr einfach nur aufs Klo - da wird der auch verdammt lang ... und die hohen A's im Finale stemmen sich mit ner vollen Blase auch ganz toll :-)