Gegen widrige Bedingungen kämpften wir, gegen Stau, Fieber, Schüttelfrost und nach allerlei Unappetitlichem riechenden Schweizerinnen auf dem Nebensitz - aber es hat sich gelohnt!
In einer hübschen, im Ganzen unauffälligen Inszenierung (Grischa Assagaroff) wurden in Zürich die siamesischen Zwillinge des Verismo vorgeführt: Mascangnis Cavaleria Rusticana und Leoncavallos I Pagliacci, in deutschen Breiten auch als "Der Bajazzo" bekannt.
In der ersten Hälfte zog einen die Santuzza von Paoletta Marrocu so sehr in den Bann, dass man Turiddu gar nicht verstehen kann, dass er die etwas blässliche Lola (Liliana Nikiteanu) lieber beleibt und beliebt - wo sie zwar ganz ordentlich, aber doch gar nicht "assai piu bella" sang; Marrocu sang mit einem warmen, fließenden und vollen Fluten, das einen eine der Stimmlage nach "höhere" Besetzung ideal erscheinen lässt - ich habe das so noch nie gehört, was heißen soll: so technisch gut und so unglaublich ergreifend habe ich das noch nie gehört. Da stört das kläffende Stentoreinlagengehabe von Cheyenne Davidson als Alfio kaum, und Mamma Lucia ist eine Rolle, die den sängerischen Fähigkeiten von Irene Friedli abgemessen ist.
Ebenbürtig neben Maroccu stand als Bindegleid zwischen den Zwillingen Jose Cura: Sein Turiddu überzeugt durch eine für ihn untypisch präzise Stimmführung, Artikulation und Intonation, dass man sich fragen muss: Warum nicht immer so? Es zahlt sich offenbar aus, dass Cura seine Stimme nicht durch 60 Abende im Jahr quält, sondern sich auf 25 beschränkt. Und: Den Turiddu kann er, ihn hat er einstudiert - so kann man seinen Gesang auch außerhalb der "Gassenhauer" genießen. All das gilt in gleichem Umfang auch für seine Interpratation des Canio in Leoncavallos Eifersuchtsgeschichte: Er legt diese Rolle anderst an als die des Turiddu, verblüffend, welche Unterschiede er zu erzeugen weiß! Und: Wenn er muss, kann er hintergründig werden, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen, ohne die Grenzen des Schöngesangs zu sprengen. Auch hier zahlt sich eine Stimmreifung aus, die gerade im Vergleich zum Decca-Bajazzo frappant ist.
Als Nedda steht im Fiorenza Cedolins zur Seite, die eine etwas gealterte Nedda singt und an den Canio nicht herankommt. Hier und da etwas Rotz im Register, die Stütze wackelig und im Piano am dem G doch ein ziemliches Flackern in der Stimme, in toto aber trotzdem so gut, dass der Eindruck des Abends nicht gestört werden kann.
Carlo Guelfi als Tonio ist auch dämonisch, sein Prologo ist ein Höhepunkt des Abends. Eine sicher geführte, nicht sehr große, aber wunderbar dichte Baritonstimme - wir alle erinnern uns gerne an Giorgio Zancanaro, und sagen uns: Herr Guelfi ist auf dem richtigen Weg.
Solide aber mehr auf Ensembleniveau bewegt sich Gabriel Bermudez Silvio, ein Piano ist nur unter knödelndem Quetschen möglich und: Man kann hohe Töne auch leise singen und vor allem mit der richtigen Tonhöhe. Geschieht im Recht, dass er am Schluss erstochen wird. Also Silvio, nicht Bermudez.
Wie immer absolute Weltklasse der Pepe von Boiko Zvetanov, der an Lautstärke immer noch alle Bühnenteilnehmer übertrifft, ebenso an Körperfülle - belassen wir es bei diesen Aussagen.
Am Pult agierte Stefano Ranzani im Ganzen überaus glücklich, der Kontakt zur Bühne war vorbildlich, da wird niemand gehetzt und gedrängt, oder gar ausgehungert: Völlig orgnanisches, gemeinsames Musizieren - man merkt eben doch, wer Operndirigent ist und den Text mitsprechen kann. Auch das war in Zürich in letzter Zeit nicht immer selbstverständlich (mit hoffnungsvollem Blick auf Fabio Luisi).
Der von Jürg Hämmerli einstudierte Chor sang ordentlich und bekam diesesmal die Fuge am Beginn der Pagliacci sogar auf die Reihe, ohne über die eigenen Füße zu stolpern.
Wir konnten die Oper gut durchgenässt und mit leichten Vergasungserscheinungen verlassen. Wie gut, dass die Klimaanlage überholt werden soll.
(Für mehr Informationen bitte: http://opernhaustv.eviscomedia.com/media.1007.html )
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1 Kommentar:
Kleine anatomische Frage: Was ist dann eigentlich Il Trittico? Ein siamesischer Drilling?
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