Wenn die Lulu-Generalprobe der Met mit der Gruppenrunde kollidiert, muß man letztere eben verschieben. Glücklicherweise habe ich einen äußerst netten Chef. Die Karten dazu organisierte übrigens ein Metal-fanatischer Drummer aus der chemischen Fakultät, der keine Opern mag. Wieso ausgerechnet die Chemiker solche Verbindungen haben, bleibt noch herauszufinden.
Die Inszenierung (John Dexter 1977) frönt dem hier so beliebten opulenten Realismus mit üppigen Jugendstil-Interieurs und ist ansonsten, milde ausgedrückt, ehrwürdig bis leicht staubig. Wenn Lulu, die im Prolog als Schlange apostrophiert wurde, allerdings das halbe Stück mit roter Lockenperücke wie ein Pudel über die Bühne hoppelt, irritiert das schon etwas.
Eine dodekaphon geprägte Oper, noch dazu ein posthum vervollständigtes Fragment, als Apotheose einer moralbefreiten Dame, wobei jeder Akt mit Mord und Totschlag endet, mag vielleicht nicht gerade leichte Kost sein. Dennoch war Berg im tiefsten Inneren Spätromantiker - die erste Klangexplosion im Orchestergraben wehte dem Hörer alle mühsam angelesenen Reihen und Tropen aus dem Kopf und trotz aller Atonalität und kruden Handlung saß man da und genoß.
Die Tenöre hatten das Unglück, ihr Register mit dem Großteil des mächtigen Orchesters zu teilen und gingen das Problem fachspezifisch an: der Heldentenor (Gary Lehman als Alwa) stemmte, als habe er den Bizeps des Akrobaten verschluckt, während der Lyrische (Michael Schade als Maler/(n-word)) über weite Strecken kaum zu hören war. Zur Genugtuung darf er seinem heroischen Kollegen im dritten Akt den Schädel einschlagen, was meines Wissens opernhistorisch einmalig ist.
Keine Registerprobleme hatte Marlis Petersen in der Titelpartie: In der zwei- bis dreigestrichenen Oktave läßt sich ohnehin kaum ein Sopran von einem läppischen Symphonieorchester kleinkriegen - aber mit was für einer mühelosen Agilität, Schlankheit und Klarheit im Ton!
James Morris klingt vielleicht etwas kehliger als zu Hochzeiten, meistert aber sein Rollendebut als Dr. Schön mit großem rundem Bariton und grandseigneuralem Ausdruck. Leider konnte es es offensichtlich nicht verwinden, von einem Koloratursopran in den Rücken geschossen zu werden und ließ sich im dritten Akt (als Jack the Ripper) ziemlich schwarzbassig vertreten.
Anrührend und warm sang Anne Sofie von Otter als Geschwitz.
Außer dem Orchester in bunter Freizeitkleidung von halbleerem Haus machte sich das Faktum der Generalprobe wesentlich zweifach bemerkbar: was auch immer der Spotscheinwerferführer getrunken hat, ich möchte etwas abhaben - und Schigolch stolperte zu Beginn der letzten Szene im Dunkeln über einen Tisch, worauf Maestro Luisi und seine Mannen zurückgepfiffen werden mußten und die Akteure um einige Herren mit Handfeger, Kehrblech und Taschenlampen ergänzt wurden. Im Vergleich zur Radioübertragung vom folgenden Samstag könnte man noch anmerken, daß die Herren Schade und Morris sich in der Probe vielleicht etwas schonten, wohingegen Frau Petersen in der Aufführung an ein paar exponierten Stellen leichte Nerven zeigte.
Eine Live-Radioübertragung der Samstagsvorstellung (8.5., 19.00 MEZ) findet sich hoffentlich hier. Anhören!
Wir schließen mit Sir Andrew Davis:
"In fact, I love this opera so much I named my dog after it!"
Geht Günter Pichler eigentlich mit der Lyrischen Suite Gassi?
Donnerstag, 6. Mai 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentar:
Die lyrische Suite ist hier nicht über den Flur gehüpft, ich glaube, der Herr ist zu sehr damit beschäftigt, das schwache Geschlecht um den kleinen Finger zu wickeln (und sehr erfolgreich, ich hab meine Wange noch immer nicht gewaschen ;-))
Kommentar veröffentlichen