Ich möchte an dieser Stelle meines ehemaligen Kollegen S gedenken. S kam aus down under, kommunizierte vorwiegend über four-letter-words, trug das ganze Jahr Shorts und wusch seine Wäsche nur bei Heimatbesuchen. Dazu war er offensichtlich wasserscheu. Seine Rugbyschuhe lüftete S zur Freude des Lehrstuhls im Gang aus.
Gestern fuhr das Roktett nach Zürich in die -äh - Turnhalle, wo das dazugehörige Orchester "Rugby" von Honegger und einiges anderes spielte.
Bei näherem Hinsehen war es doch die Ton- und nicht die Turnhalle, man gedachte auch nicht unseres charmanten Australiers, sondern des 150jährigen Uni-Jubiläums (in Konstanz spielt bei solchen Anlässen ganz schnöde das Uniorchester). Die für Studenten recht luxuriösen Galerieplätze erwiesen sich leider als Fehlgriff.
Der Große Saal der Tonhalle hat eine klare, aber relativ weiche Akustik (man vergleiche Zinmans leichtfüßigen Beethoven-Zyklus bei Arte Nova). In den hinteren Reihen der Galerie wird das leider zu einer Überdosis Weichspüler, die alles wuchtig Akzentuierte gnadenlos plattbügelt und seines Fundaments beraubt. Noch dazu befanden sich Streicher und Solisten unterhalb des Galeriesimses und waren hinten im Saal insbesondere im höheren Register (von den Bratschen aufwärts) kaum zu hören. Die sechs hochpostierten Kontrabässe retteten immerhin die Baßgruppe ein wenig. Die asthmatische Belüftung erging sich dazu in einem nervenden Ostinato.
Nach Honneggers sportlicher Inspiration spielte man Hindemiths "Mathis der Maler"-Symphonie, die am besten durch das Grünewaldsche Programm selbst illustriert wird. Das Engelskonzert begann dementsprechend auch mit himmlischen Bläserakkorden, ein sinnlicher Genuß, den man mit Hindemith ("witzig, aber anstrengend") normalerweise nicht in Verbindung bringen würde. Kontrapunktische Passagen in den Streichern klangen leicht und beschwingt, darüber schwebte der Bläser-Cantus ("Es sungen drei Engel"). Ähnlich, diesmal gedeckt lyrisch, wirkte die Grablegung.
Bei der Versuchung des Heiligen Antonius schlug die Akustik zu - statt der wüsten Triller- und Galopporgie mit ordinären Bläserakzenten kam bei uns allerhöchstens ein Versucherli an - "Wir plagen Dich - ein bißchen..."
Zinman dirigierte ruhig und statisch mit sparsamen, körpernahen Handbewegungen - irgendwie vergaß ich immer, daß da überhaupt jemand vorne stand und das Stöckchen schwang.
"Das gegenwärtige Concert war nun wieder ein solches, in dem eine neue Composition zu Grabe getragen wurde - das Concert des Herrn Johannes Brahms." Die berüchtigte Kritik der Leipziger Zweitaufführung von Brahms' Erstem erschien uns Brahmsjüngern immer als ein Sakrileg - aber vielleicht saß der arme Kritiker ja auch nur auf der Galerie.
Wer das Stück kennt, erwartet einen monumental-brachialen Einstieg - was hinten ankam, war dürr, labbrig und ohne Bodenhaftung. Die Trillerkaskaden wirkten nach dem Hindemith blaß und strukturlos.
Radu Lupu lehnte sich gemütlich in seinen Stuhl zurück wie weiland Papa Brahms und hieb in die Tasten - im ersten Satz leider nicht immer ganz treffsicher. Sein grundsätzlich weicher Anschlag mißfiel den Zimerman-Aficionados unter uns, dies kombiniert mit der ungünstigen Akustik ließ insbesondere die rechte Hand völlig untergehen.
Was man nicht der Akustik ankreiden konnte, war die Uneinigkeit im Tempo. Es schien, als habe das Ensemble sein Tempo giusto nicht gefunden, man schlich sich etwas disparat und wacklig in die Einsätze. Wer Lupu mit dem Orchester interagieren, mit dem Kopf wackeln und teilweise sogar Einsätze geben sah, mag vermuten, daß es Differenzen zwischen Dirigent und Solist gab.
Der zweite Satz war besser, allerdings in einem schläfrig-langsamen Tempo, in dem vielleicht nicht nur dem Publikum die Augen zufielen - die Anschlüsse schleppten, und ein Oboeneinsatz war offensichtlich eine Hommage an Hindemiths Spielanweisung "Hier hat der Oboer den Einsatz verpaßt. Sehr frei."
Im dritten Satz, einem behäbigen Rondo, wollte bei uns keine rechte Lust mehr aufkommen.
Wie schrieb Brahms: "Zum Schluß versuchten drei Hände, langsam in einander zu fallen..." - der Rest des Saals war gnädiger.
Ein stellenweise etwas trüber Abend - vielleicht sponsort die Tonhalle uns das nächste Mal Parkettkarten, dann bloggen wir auch netter ;-)
Sonntag, 2. November 2008
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2 Kommentare:
Kümmre mich drum, aber unten ist die Akkustik auch nicht soviel anders!
Das ging natürlich nicht gegen den edlen Herrn Kartenorganisator ;-)
Gehn wir doch nächstes Mal einfach in was nicht ganz so Hoch- bis Spätromantisches...
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