Über falsche Opuszahlen im Abspann wollen wir uns nicht aufregen, das wäre pedantisch. Aber dass den Zuschauern solche relativen Kleinigkeiten auffallen, lässt tief blicken, was die vorausgegangenen knapp zwei Stunden betrifft.
Was haben wir?
Einen fulminanten Beginn - Martina Gedeck als Clara Schumann spielt das Klavierkonzert ihres Mannes Robert, der am Rand des Konzertsaales steht, verzückt lächelnd, mit seinem Ehering spielend, der prompt runterfällt. Zoom auf Johannes Brahms, einen hübschen, sommersprossigen Jüngling, Clara ebenfalls verzückte Blicke zuwerfend. Er nimmt verträumt den Ehering an sich, Robert reißt ihn ihm aus der Hand, erzürnt.
Wir waren noch immer frohen Mutes und der Hoffnung, dass uns die Symbole im weiteren Filmverlauf nicht mehr mit dem Holzhammer eingemeißelt werden.
Nächste Szene: Brahms spielt in einer Hamburger Hafenkneipe seine Stücke, das Publikum ist begeistert, Clara ebenfalls, Robert rauscht beleidigt ab und auch unsere Begeisterung hält sich in Grenzen, als beim Klaviertrio in H-Dur plötzlich das Cello fehlt (aber ehrlich: wer braucht schon ein Cello?).
Es folgt ein Besuch des Wunderkindes Johannes bei Familie Schumann in Düsseldorf. Dass dort der Haussegen schief hängt, ist bereits klar geworden, als Clara von Robert gefragt wurde, ob es ihr denn nicht mehr reiche, sein Frauchen zu sein.
Offensichtlich nicht.
In der Folge wird Roberts Vorliebe für schlechten Rotwein äußerst deutlich (Holzhammer, siehe oben), im Suff schlägt er seine Frau, die es mit waidwundem Blick erträgt und nebenher weiterhin von Johannes angeschmachtet wird, der sich nicht entscheiden kann, ob er die Situation regeln oder mit den Kindern spielen soll, die er zu seinen Ungarischen Tänzen tanzen lässt, anstatt ihnen Gute-Nacht-Geschichten zu erzählen.
Robert ist neben seinen Wahnvorstellungen und seinem Alkoholismus damit beschäftigt herauszufinden, ob er denn besser auf Clara oder auf Johannes eifersüchtig sein soll, und wenn er dirigiert, sieht er aus, als wolle er jemanden mit dem Taktstock erdolchen, aber über solche Dinge ließe sich hinwegsehen, wären die Charaktere einigermaßen überzeugend gezeichnet. Kein Mensch erwartet, dass ein Film realistisch ist (wir sind in diesen zwei Stunden bescheiden geworden), aber dass Johannes Brahms am Tag nach seinem Einzug bei Schumanns halbnackt in Claras Zimmer kommt, wo sie im Nachthemd Klavier spielt, unter den Flügel kriecht und ihre Füße streichelt, das entbehrt jeglicher Grundlage und zeugt nicht von Respekt oder auch nur Wissen um die gesellschaftlichen Begebenheiten in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.
Martina Gedeck macht in weiten Teilen des Filmes ein Gesicht, als ahnte sie Böses und würde bitter bereuen, die Rolle angenommen zu haben, wobei sie mit Abstand am Überzeugendsten ist, auch wenn ihre Rolle auf die Aufopferung reduziert wird, die Clara dem kranken Robert entgegen bringt. Brahms ist über weite Teile ein richtig netter Kerl, aber genau aus diesem Grund nicht realistisch, und Schumann ist ein Versager, ein Säufer, eine Karikatur seiner Selbst und seiner tatsächlichen Krankheitsgeschichte.
Es stellt sich die Frage, ob die Regisseurin, die laut Werbung eine Nachfahrin (!) von Johannes Brahms ist, sich überhaupt mit der zahlreichen Literatur, die es zu diesem Thema gibt, beschäftigt hat, von den logischen Lücken im Plot (Vorgeschichte? Warum komponiert Clara nicht mehr? Was hat es mit Roberts "Stimmen" auf sich?) und der Unfähigkeit, die Handlungen der Figuren begreifbar zu machen, ganz zu schweigen.
Es ist besonders traurig, dass ein Stoff, der unendliche Möglichkeiten für einen grandiosen Film böte, so verarbeitet wurde, dass sich während der nächsten Jahre vermutlich kein Mensch mehr an die Thematik wagen wird.
Sonntag, 18. Januar 2009
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