Sonntag, 5. April 2009

Von Muse und Mammon

Unabhängig davon, wie ich selbst über Leute denke, die sich während einer musikalischen Veranstaltung ohne ersichtlichen Grund daneben benehmen, muss ich sagen, dass bis zum letzten regulären Ton einer Veranstaltung gewisse Grundlagen der Höflichkeit gelten, die schlichweg nicht abdingbar sind: Keine Geräusche, nur in Notfällen aufstehen, zuhören.
Mit dem Verklingen des letzten Tones steht es aber jedem frei, seine Meinung über die Veranstaltung in welcher Form auch immer zum Ausdruck zu bringen: Trillerpfeife, "Buhhuhuhuh", Aufstehen und Gehen, Begeistertes Klatschen. Das sind die Regeln, auf die lässt sich jedermann ein, wenn er einen Konzertsaal oder ein Opernhaus betritt. Das gilt insbesondere auch für die Künstler, die als Dienstleister von dieser Möglichkeit leben, ohne bei Schlechtleistung Minderungsansprüchen an ihrer Gage ausgesetzt zu sein!

Es steht dann natürlich auch jedermann - also Künstlern wie Besuchern - frei, sich über ein bestimmtes Publikum entsprechend zu äußern und es notfalls mit dem Entzug der eigenen Anwesenheit zu bestrafen. Ich für meinen Teil habe entschieden, mir den Staub der meisten personellen Auditorien von den Füßen wischen und lediglich im Extremfall mein eigenes Missfallen gegenüber bestimmten Verhaltensformen deutlichst zum Ausdruck zu bringen.

Davon zu trennen ist die Frage, wie Kunst bezahlt wird, und ob man für das Stattfinden von Kunst nicht die Anwesenheit eines kunstfernen Oberschichtenprekareats in Kauf nehmen muss.
In Deutschland wird die Kunst mit Steuergeldern bezahlt, das heißt wenn wir in der Deutschen Oper Berlin oder in der Berliner Philharmonie eine Karte für 15 EUR kaufen, zaht der Steuerzahler daran 85 EUR, um die Kosten des Veranstaltungsbetriebes zu decken. Demnach finanzieren in Deutschland und im extremsten Maße in Berlin etwa 5 - 7 % der Steuerzahler 85 % des musikalischen Vergnügens. Es kommen nur die, die wollen und die meisten bleiben weg. Dieses System ist weltweit einmalig und oft einer mehr oder minder berechtigen Kritik unterworfen - nichtsdestotrotz bin ich sein größter Anhänger und Verfechter. Allerdings weiß niemand, wie lange dieses System aufrechterhalten werden kann.

In allen anderen Ländern dieser Welt muss Kunst von den Menschen bezahlt werden, die sie besuchen. Und weil Kunst teuer ist - besonders der Erhalt von Gebäuden und die Gagen der Künstler - muss es Leute geben, die bereit sind, viel für Kunst zu bezahlen und das auch können, unabhängig davon, ob sie irgendetwas davon verstehen oder mit welcher Motivation sie die Veranstaltung aufsuchen - sonst fände Kunst nämlich schlicht und einfach nicht statt. Dabei werden in Zürich die Preise so kalkuliert, dass die reichen Kulturbanausen soviel bezahlen, dass es auch günstigere Plätze geben kann. Wenn wir das Hagenquartett für 35 SFR hören, muss der dicke Zuspätkommer mind. 75 SFR abdrücken, weil sonst das Hagenquartett schlicht nicht da wäre. Und nicht einmal das ist kostendeckend, sondern die Veranstaltungen werden von weiteren gönnerischen Kulturbanausen und Abonnenten subventionniert, die lieber gleich richtige Kunst hören als gar keine, welche Motivation auch immer dahinter stecken mag.

Deshalb ziehe ich es vor, mit einem Haufen Banausen einen zumindest musikalisch hervorragenden Abend zu erleben, als zu Hause vor der Stereoanlage von schönen Konzerten träumen zu müssen, weil diese in greifbarer Nähe schlicht nicht stattfinden.

1 Kommentar:

Ruth & Olli hat gesagt…

Mit dem Finanziellen hast du natürlich recht, aber trotzdem sollten doch die Besucher auf diejenigen Rücksicht nehmen, die das Konzert in Ruhe genießen wollen. Ihre Unmutsäußerungen können Sie hinterher auch schriftlich oder anders bekunden. Es geht doch einfach nur um grundlegende Höflichkeit und Rücksichtnahme!